Bingen - Pos. 14

Stolpersteine für Siegfried Freundlich, Carola Freundlich verw. Stern geb. Meyer und Alfred Stern in der Hospitalstraße (MVB)

Text: Beate Goetz

Siegfried Freundlich wurde am 24. Juli 1883 in Maikammer an der Weinstraße geboren. Seine Eltern waren im März 1940, als jeder jüdische Haushaltsvorstand eine Familienliste ausfüllen musste, schon gestorben, die einzige Schwester Irma lebte in Maikammer. Er hatte als Gefreiter im Ersten Weltkrieg gedient und kam Ende des Krieges für einige Zeit in das Gefangenenlager Eichstätt.

Im Januar 1939 hatte er für sich und seine Frau um eine Einwanderungs- genehmigung nach Frankreich nachgesucht. Auch war er im Besitz einer Registrierungsnummer für die Einwanderung nach Nordamerika. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs machte beide Fluchtmöglichkeiten zunichte.

Carola Freundlich kam am 11. November 1891 in Marktbreit am Main zur Welt. Auch Vater Josef Meyer war 1940 schon tot, Mutter Rosalie lebte in Nürnberg. Die Geschwister Martha und Ludwig waren ausgewandert.

Carola Freundlich war in erster Ehe mit dem Binger Weinhändler Bernhard Stern verheiratet, der am 5. Oktober 1882 in Mainstockheim geboren war.

Das Paar lebte mit seinen beiden Söhnen in der damaligen Grabenstraße 9, heute Hospitalstraße, wo auch das Weingeschäft betrieben wurde. Bernhard Stern starb am 10.September 1927 an den Folgen eines Arbeitsunfalls und fand seine letzte Ruhestätte auf dem Jüdischen Friedhof in Bingen.

Kurt Lazarus Stern, geboren am 1. März 1914 in Bingen, ging nach dem frühen Tod des Vaters zu den Großeltern nach Nürnberg, wo er eine Kaufmannslehre machte. Seine erste Anstellung fand er in Berlin, von wo aus er 1933 nach Frankreich auswanderte.

Sehr bald schon erhielt er in Paris ein Angebot als Einkäufer für südafrikanische Persianer in Windhuk. Er nahm das Angebot an und baute sich zusammen mit einem Partner ein gutgehendes Unternehmen im Pelzhandel auf. Er gründete eine Familie und wurde Vater von zwei Töchtern und einem Sohn.

Kurt L. Stern zeigte bis zu seinem Tod am 25. November 2006 in Swakopmund, Namibia, reges Interesse an der Arbeit des Arbeitskreises. Die Verbindung wird aufrechterhalten durch seine Kinder, die auch die Steine für die Großmutter und den Onkel finanzieren; den Stein für Siegfried Freundlich sponsern Beate und Volker Goetz aus Bingen.

Alfred Ludwig Stern, geboren am 5. Mai 1917 in Bingen, verließ die Stadt am 5. Mai 1933 und wanderte von Wiesbaden aus nach Frankreich aus. In Bordeaux fand er eine Anstellung in einer Wein- und Spirituosenfirma. Nachdem er am 1. Januar 1938 die französische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, absolvierte er seinen Militärdienst. Wie sein Bruder 2003 berichtete, wurde Alfred Stern unter der Vichy-Regierung verhaftet und in dem Sammellager Drancy im Nordosten von Paris interniert. Von dort aus kamen die meisten französischen Juden, Roma und andere in die Vernichtungslager im Osten. Laut Aussage des Bruders wurde Alfred Stern auf dem Weg nach Auschwitz erschossen.

Wie aus einer Weinpreisliste aus den 30er Jahren hervorgeht, führte das Ehepaar Freundlich das Weingeschäft unter dem Namen 'Bernhard Stern & Co.' zunächst erfolgreich weiter. Die Liste, in französischer Sprache offensichtlich für belgische Abnehmer gedruckt, enthält Weine aus den besten Anbaugebieten Deutschlands. Ein Binger Rosengarten von 1935 war für 22.65 Belgische Francs zu haben, ein Binger Eisel Riesling von 1929 für 35 Francs, im Vergleich dazu eine Ürziger Schwarzlay von 1929 für 33 B. Francs. In der Familienliste von 1940 schreibt Siegfried Freundlich bei der Frage nach den Vermögens- und Einkommensverhältnissen: "Durch den Verlust im Gewerbebetrieb in Abwicklung und beim veräußerten Hausanteil ist ein Gesamtverlust im Einkommen vorhanden." - eine Aussage, die symptomatisch ist für die 'Abwicklung' jüdischen Eigentums.

Siegfried und Carola Freundlich wurden am 20. März 1942 nach Piaski-Lublin verschleppt; ihr weiteres Schicksal ist ungeklärt. Die Stolpersteine für sie wurden in der Hospitalstraße, bei der Mainzer Volksbank, verlegt.