Bingen - Pos. 9

Stolpersteine für Paul und Paula Steinberg am Speisemarkt 14

Text: Beate Goetz

Mit zwei Steinen wollen die Enkelinnen, die inzwischen in England und auf den Bermudas wohnen, an ihre Großeltern Paul und Paula Steinberg erinnern. Paul Steinberg ist am 3. Februar 1878 in Bochum geboren und arbeitete als Kaufmann. Er nahm sich im Dezember 1934 in der Haft das Leben. Paula Steinberg wurde am 27. Juli 1887 in Bingen als Tochter von Heinrich (1844 -1928) und Thekla Marx, geborene Bach, (1861-1931) geboren. Die Eltern waren Inhaber des Warenhauses Heinrich Marx am Speisemarkt 14. Die gemeinsame Tochter Hildegard kam am 12. Februar 1922 in Mainz auf die Welt. Sie wanderte im Juni 1939 nach England aus.

Zu Paulas Geschwistern gehörte etwa Elisabeth Marx, die mit Gustav Gümbel, Partner in der großen Weinhandlung Feist und Reinach, verheiratet war und mit ihm und Sohn Heinrich Eduard 1938 nach England ging.

Eduard, der sich später Edward Gumbel nannte, veröffentlichte kurz vor seinem Tod seine Lebensgeschichte, die vor einigen Jahren auch in Bingen vorgestellt wurde.

Paulas Bruder Wilhelm wiederum heiratete eine Nichtjüdin, Luise Laubischer, und lebte mit ihr und Tochter Ilse in Mainz; sie wanderten nach Kanada aus. Die jüngste Schwester Anna heiratete Ernst Gmelin (nichtjüdisch) und überlebte den Holocaust in Berlin. Sie starb 1985 kinderlos in Baden-Baden.

Hilde Steinberg, die Tochter von Paul und Paula Steinberg, die noch vor ihrer Auswanderung konvertierte, lebte die erste Zeit in einem katholischen Nonnenkloster in Sussex, später bei Verwandten. 1945 heiratete sie in London einen Polen, der dann britischer Staatsbürger wurde. Hilde war in zweiter Ehe mit einem Engländer verheiratet und starb im Februar 1999.

Linda Whitnall, die Enkelin, fand nach dem Tod der Mutter eine umfangreiche Briefesammlung, die Paula Steinberg zwischen Juni 1939 und November 1940 an ihre Tochter geschickt hatte. Im Familienfragebogen vom März 1940 notiert diese: 'Ich hatte alle Vorbereitungen zur Auswanderung nach England getroffen, als der Krieg ausbrach.'

Die ersten Briefe sind noch voller Hoffnung und Vorfreude auf das Wiedersehen mit der geliebten Tochter. Sie beschreibt, wie sie die Wohnung im Bienengarten 13, wo sie später lebte, auflöste, Unentbehrliches für den Transport verpackte und anderes für wenig Geld verkaufte. Noch Ende Juni glaubt sie, dass sie in zwei Wochen ausreisen darf. Am 27. August 1939 jedoch schreibt sie: 'Ich bekomme meine Papiere nicht, doch ohne Pass kann ich nicht reisen. Zudem ist seit Mittwoch Gütersperre, seit Freitag Luftsperre und seit heute Personensperre für die Eisenbahn. Wir hoffen aber alle hier, dass sich noch eine friedliche Lösung finden wird.'

Voller Resignation schreibt Paula Steinberg am 1. Februar 1940: 'In einigen Tagen wirst Du 18 Jahre, und es ist das erste Mal, dass wir an Deinem Geburtstag nicht zusammen sind. Wolle Gott, dass wir nächstes Jahr wieder zusammen feiern können.'

Der letzte Brief, der Hilde Steinberg über Portugal erreichte, ist auf den 30. November 1940 datiert. Paula Steinberg wurde am 20. März 1942 nach Lublin deportiert. Es vergingen demnach eineinhalb Jahre, in denen keine Kommunikation möglich war. Die Position der Stolpersteine ist am Speisemarkt 14.

Paula und Paul Steinberg