Bingen - Pos. 2

Stolperstein für Klara Hausmann geb. Wohlgemuth in der Schoßbergstraße 42

Text: Beate Goetz

Klara Hausmann kam am 9. September 1890 in Bingerbrück als Tochter von Nathan Wohlgemuth und seiner Ehefrau Jettchen geb. Nathan zur Welt. Sie wohnte mit Ehemann Julius Hausmann (*1885 in Flehingen/Baden), Tochter Lotte (*1913) und Sohn Fritz (*1921) in der Schloßbergstrasse mit der damaligen Hausnummer 30.

Lisa Japha geb.Gross aus Denver, Colorado schrieb im Dezember 2004: 'Julius Hausmann war Sozius mit meinem Vater (Anm.: Paul Wolfgang Gross) im Weingeschäft Gross und Hausmann, das im Hinterhaus Gaustraße 21 (damaliger Zählung) untergebracht war.'

Nachdem Julius Hausmann am 7. November 1942 einem Krebsleiden erlegen war, verließ Klara Hausmann am 11. November Bingen, um in Darmstadt kranke und alte jüdische Menschen zu pflegen, sie war ausgebildete Krankenschwester. Danach teilte sie das Schicksal der Darmstädter Juden. Im 'Gedenkbuch für die Opfer des Holocaust' steht hinter ihrem Namen 'Verschollen Auschwitz'.

Dr. Paul Becker und seine Schwester Traudl Becker, die Sponsoren des Steins, schreiben über 'Unser gutes und schönes Wohnen in einem jüdischen Haus': 'Im Jahre 1933 zogen unsere Eltern (Kirchenmusikdirektor Friedrich Becker und Frau Elisabeth) mit uns in die Schloßbergstraße 30, in das Haus des jüdischen Ehepaares Julius Hausmann und seiner Frau Klara geb. Wohlgemuth. Wir erlebten dort gemeinsam sehr gute und schöne Jahre.

Die Eltern Hausmann hatten zwei Kinder: Tochter Lotte und Sohn Fritz. Von der Tochter haben wir wenig mitbekommen, da sie zu dieser Zeit in Freiburg studierte, danach heiratete und ins Ausland ging. Mit Sohn Fritz hatten wir mehr Kontakt, er war ein sehr quirliger Junge und besuchte damals das Gymnasium. In seinem Ideenreichtum baute er beispielsweise im Hof des Hauses eine bayrische Hütte, spielte dort oft auf seiner Gitarre und verkaufte einen von seiner Mutter eingemachten Johannisbeersaft, vermischt mit Sprudel – insbesondere an alle im Hause wohnenden Kinder, aber auch für die aus der Nachbarschaft. Wir bekamen alles etwas billiger, wenn wir für genügend Reklame sorgten!

So hatten wir bis zur Kristallnacht im November 1938 ein gutes Wohnen. Sohn Fritz war schon vor diesem Datum unbemerkt verschwunden, offenbar nachdem er die Schule nicht mehr besuchen durfte. An diesem uns alle erschreckenden Abend drangen etwa sechs Männer in die Wohnung von Hausmanns ein und schlugen alles, was aus Glas oder Porzellan war, in Scherben, nahmen dann auch noch den schwer an Krebs erkrankten Herrn Hausmann mit auf die Parteizentrale. Dort war - Gott sei Dank - ein verständnisvoller Kripobeamter, der diese Männer sofort wieder mit Herrn Hausmann zurück schickte unter dem Hinweis auf seinen desolaten Zustand. Frau Hausmann war bei Beginn dieser Zerstörungsaktion sofort in den Garten geflüchtet, wo man sie natürlich bei der Dunkelheit nicht fand.

Da niemand Fremdes in die Wohnung durfte, gelang es uns, zur Pflege von Herrn Hausmann den katholischen Krankenpflegebruder Valerius aus dem Brüderhaus in der Kirchstraße zu vermitteln, der diesen Dienst bis zum Tode von Herrn Hausmann versah.

Vorher mussten Hausmanns noch eine jüdische Familie von auswärts aufnehmen. Auch für uns wurde die Zeit immer schwieriger: Wir durften ja Hausmanns schon lange nicht mehr auf der Straße grüßen, sie waren ja wie alle anderen Juden durch einen sichtbar zu tragenden gelben Stern markiert. Sie durften nur noch in einem einzigen Geschäft ihre Lebensmittel einkaufen – dieses wurde aber noch kaum beliefert. Darum stellten wir immer wieder Essbares vor ihre Wohnungstür, möglichst unentdeckbar hinter Luftschutzsandsäcke, mussten dabei aber sehr vorsichtig umgehen, da wir von einem Mitbewohner aus dem obersten Stock (einem Nazibeamten) genau beobachtet wurden.

Die zugewiesene jüdische Familie war auf einmal von heute auf morgen verschwunden – wohin wusste niemand. (…) Nach dem Krieg besuchte uns unerwartet Sohn Fritz als englischer Offizier, um etwas über die letzten Tage seiner Eltern zu erfahren. (…)“

Seitdem hatte auch Familie Becker nie wieder etwas von ihm gehört.

Noch 2004 wusste der 'Arbeitskreis Jüdisches Bingen' nichts über den Verbleib der Geschwister Hausmann. Die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg wollte damals den Universitätsmitgliedern, die in der Zeit von 1933 bis 1945 Opfer rassistischer oder politischer Verfolgung wurden, ein Mahnmal mit einer Namenstafel errichten. In diesem Zusammenhang versuchte man auch, das Schicksal von Lotte Hausmann zu klären, die 1933 Studentin der Freiburger Universität war und bat den Arbeitskreis um Auskunft.

Eine Umfrage bei den ehemaligen jüdischen Bingern, die mit dem Arbeitskreis in Verbindung stehen, brachte keine konkreten Ergebnisse. Nur Miriam Bachan geb. Marlis Brück schrieb aus Israel, sie habe Fritz Hausmann 1936 im Kinderdorf Beersheba getroffen, später sei er Karikaturenzeichner in Tel Aviv gewesen.

Einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass der Arbeitskreis Jüdisches Bingen vor einiger Zeit erfuhr, Fred Hausman, wie er sich später nannte, lebe mit seiner Frau Jessica in Stamford, Connecticut, er habe einen Sohn Eric und eine Tochter Renée. Ein Brief an den alten Herrn wurde auf die Reise geschickt, den dieser laut Aussage von Familienangehörigen bald beantworten wollte. Leider konnte Fred Hausman dieses Vorhaben nicht mehr realisieren. Er erlag am 25. April, zwei Tage vor seinem 85. Geburtstag, einem langjährigen schweren Leiden. Schon zwei Wochen davor war auch seine Schwester Lotte in einem Seniorenheim in New Jersey verstorben.

Klara Hausmann mit Sohn Fritz und Tochter Lotte