Bingen - Pos. 30
Stolperstein für Rosa Schmalz in der Mainzerstraße 40
Text: Beate Goetz
Rosa Schmalz kam am 23. April 1876 als Tochter des Handelsmanns Lehmann Kahn und seiner Frau Julie geborene Mayer in Birkenfeld an der Nahe zur Welt. Sie war verheiratet mit dem Weinhändler und Kaufmann Hermann Schmalz, der am 11. August 1868 im badischen Grötzingen als Sohn des Handelsmanns Isaak Schmalz und seiner Ehefrau Theresia geborene Maier geboren wurde. Die Hochzeit fand am 5. Oktober 1899 in Bingen statt. Als Zeugen waren erschienen der Weinhändler Moritz Meyer und der Ratsdiener Franz Karl Cordi.
Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, die beide in Bingen geboren wurden: Tochter Martha am 24. Juli 1900, Sohn Paul am 3. Juli 1902.
Die Familie wohnte im eigenen Haus in der Mainzerstraße (ab 1933 Adolf-Hitler-Straße) 40, nach älterer Zählung 46, einem stattlichen, dreistöckigen Gebäude mit Kniestock und Zwerchhaus. Nach hinten schlossen sich ein zweistöckiger, unterkellerter Hinterbau, ein zweistöckiges Kelterhaus mit Kniestock und Zwerchhaus und ein zweistöckiges Kellereigebäude an. Zwischen dem Hinterbau und dem Kelterhaus stand ein einstöckiges Wohnhaus. Wo die im Brandkataster der Stadt erwähnte „Treppe mit Glasdach“ lag, ist nicht mehr auszumachen.
Am 3. April 1923 heiratete Tochter Martha Schmalz den Rechtsanwalt Robert Stern, geboren am 28. Mai 1894 in Alzey als Sohn des Lehrers und Kantors Abraham Alfred Stern und seiner Frau Mathilde geborene Rüb. Robert Stern betrieb zusammen mit RA Richard Strauß, ebenfalls ein gebürtiger Alzeyer, im „Englischen Hof“ in der Mainzerstraße 9 eine Anwaltskanzlei.
Tochter Hilde wurde am 10. Mai 1924 in Bingen geboren. Die Familie wohnte in der Mainzerstraße 66, 72 nach älterer Zählung, verließ Bingen am 7. Februar 1939 und emigrierte am 16. Februar nach New York.
Sohn Paul Schmalz, auch im Weinhandel tätig, war verheiratet mit Ruth, der ältesten Tochter von Richard und Helene Strauß geborene Kann. Die beiden Kinder des Paares wurden in Bingen geboren: Ernst Josef am 6. November 1928, Eva Elise Erika am 29. Oktober 1930. Die Familie wohnte in der Mainzerstraße bzw. Adolf-Hitler-Straße 34, 40 nach älterer Zählung.
Hermann Schmalz starb am 6. Januar 1935 im Alter von 66 Jahren. Er ruht auf dem Jüdischen Friedhof in Bingen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Sohn Paul Schmalz mit seiner Familie Bingen schon verlassen. Am 6. August 1934 meldeten sie sich nach Den Haag ab, wo Ruths Eltern und drei Schwestern seit 1933 lebten. Vor dem deutschen Einmarsch emigrierte die junge Familie nach Nordamerika. Richard und Helene Strauß und die Töchter Elise und Lea wurden nach der Internierung im Lager Westerbork 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet. In der Kurfürstenstraße 3 erinnern seit 2013 vier Stolpersteine an die ehemaligen Bewohner.
Rosa Schmalz vermerkte in ihrer Familienliste vom März 1940, sie habe die Wartenummer 27452 für die USA, auch sei die Bürgschaft schon im amerikanischen Konsulat in Stuttgart eingegangen. In der Rubrik „Vermögens- und Einkommensverhältnisse“ gab sie an, Grund- und Hausbesitz in der Adolf-Hitler-Straße 40 und Einkommen aus Mieten zu haben.
Am 23. Dezember 1941 zog sie in das Haus von Alfred Brück in der Adolf-Hitler-Straße 31, am 10. Juli 1942 in die Gaustraße 11, von wo sie am 27. September mit der Nummer 920 nach Theresienstadt deportiert wurde. Der Weitertransport nach Auschwitz erfolgte am 16. Mai 1944, wo sie ermordet wurde.
Im Dezember 2014 besuchte der Sohn von Hilde Stern, Ron Snyder, mit seiner Frau Marianne Bingen für ein paar Stunden. Sein Anliegen war, das Grab des Urgroßvaters Hermann Schmalz zu besuchen. Als die Besucher beim Rundgang durch die Stadt immer wieder auf Stolpersteine stießen, beschlossen sie, selbst mit einem Stein an Urgroßmutter Rosa Schmalz zu erinnern.