Bingen - Pos. 28

Stolpersteine für Sally, Ida geb. Blumenthal, Erwin und Heinz Sommer in der Gaustraße 14

Text: Beate Goetz

Der Kaufmann Sally Sommer wurde am 7. Dezember 1881 in Giershofen, Westerwald geboren. Seine Eltern waren Hermann und Karoline Sommer geborene Hecht. Der Vater war 1940 schon verstorben, die Mutter (*21. April 1852) lebte zu dieser Zeit in Bingen, Schmittstraße 47. Sie starb am 5. Mai 1942.

Am 17. Mai 1920 heiratete Sally Sommer in Bingen Ida Blumenthal, die am 25. September 1893 als Tochter von Gabriel und Rosa Blumenthal in Gedern, Oberhessen geboren wurde. Das Paar wohnte zunächst in der Martinstraße 6, zog 1934 um in die Salzstraße 1, 1935 in die Nahestraße 4 und 1939 in die Gaustraße 14, in das Haus der Weinhändler Karl und Ludwig Brück.

Sally und Ida Sommer hatten drei Kinder, die alle in Bingen zur Welt kamen. Am 30. April 1921 wurde Tochter Ellen geboren, Sohn Erwin am 25. Oktober 1922 und Sohn Heinz am 12. April 1926.

Als seine Geschwister gibt Sally Sommer 1940 Ludwig Sommer in Hamburg an und Siegfried Sommer, der ausgewandert war. Bruder Berthold Sommer war am 7. Mai 1918 bei Laon, Bruder Hugo am 21. November 1915 bei Reims gefallen. Für ihre beiden gefallenen Söhne bezog Karoline Sommer eine Elternrente.

Sally Sommers einzige Schwester Jenny lebte in Bingen und wurde 1942 mit ihrem Mann David Friedmann deportiert.

Ida Sommers Brüder Julius und Gustav und ihre Schwester Recha Weinberg emigrierten nach Nordamerika, Schwester Klothilde wurde mit ihrem Mann Aaron Hahn deportiert. Idas Vater Gabriel Blumenthal starb am 23. August 1936 während eines Besuchs bei seiner Tochter in Bingen, wo er auch bestattet wurde.

Sally Sommer war im Ersten Weltkrieg bei der Flugabwehrartillerie, wurde verwundet und mit dem Ehrenkreuz für Frontkämpfer ausgezeichnet. Er war Mitglied in der Jüdischen Kultusvereinigung Bingen.

Abweichend von der in Bingen geführten „Auswanderungsliste“, nach der Ellen Sommer im August 1940 von Frankfurt aus in die USA emigrierte, berichtete Rose Widom-Goldman, ihre Cousine sei mit einem Kindertransport nach England geschickt worden, wo sie bis nach dem Krieg gelebt und gearbeitet habe. Dann erst sei sie nach Nordamerika gekommen und habe mit ihrem Mann Hans Leeser, der ebenfalls aus Deutschland geflohen war, und ihren Söhnen Ronald und Kenneth in San Francisco gelebt. Ellen Leeser sei 2005 gestorben und habe fünf Enkel hinterlassen.

Im Sommer 2017 kam Ron Sommer mit seiner Frau Gail nach Bingen und korrigierte die Aussage von Rose Widom Goldman: Seine Mutter sei als 19-Jährige von Berlin nach Moskau geflohen, sei per Zug durch Russland gereist und habe Korea und Japan durchquert. Von Japan ging es per Schiff nach Hawaii, bis sie schließlich San Francisco erreicht habe, wo sie lebte und arbeitete und 2003 starb.

Im April 1940 wurde Familie Sommer in das „Judenhaus“ Kapuzinerstraße 3 eingewiesen. Auch für Sally Sommer, seine Frau und seine beiden Söhne lag beim amerikanischen Konsulat eine Bürgschaft vor, und die Familie hoffte 1940 noch, in wenigen Monaten ausreisen zu können. Am 20. März 1942 jedoch wurden Sally, Ida, Erwin und Heinz Sommer mit den Nummern 523, 524, 525 und 526 nach Piaski in Polen deportiert und später in Majdanek ermordet. Nur für Erwin Sommer gibt es mit dem 19. August 1942 ein genaues Todesdatum.

Am 19. April 1939 hatte Hermann Herz aus Bingerbrück in einem Brief an seinen nach Schweden ausgewanderten Sohn Kurt geschrieben: „Am Samstag wird Heinz Sommer Bar Mitzwah (Anm.: = ein „Sohn des Gebots“ und damit im religiösen Sinne volljährig). Übrigens ist Heinz für einen Transport nach Australien angemeldet.“ Die Hoffnung auf Rettung erfüllte sich nicht.

Den Stolperstein für Sally Sommer finanziert ein Binger Ehepaar, den Stein für Ida Sommer Elfriede und Heinz Hans aus Trechtingshausen. Norbert Schwarz aus Bingen erinnert mit seinem Stolperstein an Erwin Sommer, eine weitere Binger Bürgerin mit dem ihren an Heinz Sommer.