Bingen - Pos. 4

Stolperstein für Ida Dehmel geb. Coblenz in der Basilikastraße 3

Text Beate Goetz

Ida Dehmel wurde am 14. Januar 1870 als Tochter des wohlhabenden Kaufmanns Kommerzienrat Simon Zacharias Coblenz und seiner Frau Emilie geb. Meyer geboren. Während der Vater aus Paris stammte, zählte die Familie der Mutter zu den alteingesessenen Binger Weingutsbesitzern, die am Markt im ehemaligen Puricelli'schen Stadtpalais ein großbürgerliches Haus führte. Idas Elternhaus mit weitläufigem Garten stand in der Kirchstraße 3, heute Basilikastraße / Ecke Kaufgasse.

Die behütete Kindheit endete jäh mit dem allzu frühen Tod der Mutter nach der Geburt der jüngsten Schwester Marie Louise. Fortan führte der Vater mit Unterstützung der französischen Großmutter ein strenges Regiment, dem sich die junge Ida zwar beugte, aber innerlich durch Musizieren, Malen, Briefe schreiben und Lesen entzog. In diese Zeit fiel auch die Bekanntschaft mit Stefan George, dem sie einige Jahre geistige Wegbegleiterin war.

Die vom Vater arrangierte Ehe mit dem wohlhabenden Berliner Kaufmann Konsul Leopold Auerbach ermöglichte der jungen Frau ein großzügiges Leben im Berliner Tiergartenviertel. Schon bald gaben sich Künstler und Intellektuelle in ihrem literarischen Salon ein Stelldichein.

Für Richard Dehmel, der sie am meisten beeindruckte, verließ sie Ehemann und Sohn Heinz Lux und ging mit ihm nach Hamburg, wo man 1901 heiratete; auch der Dichter hatte in Berlin Frau und Kinder zurückgelassen. Das Dehmel-Haus in Blankenese wurde Mittelpunkt eines geselligen, mit Kultur erfüllten Lebens.

Beeinflusst von der ältesten Schwester Alice Bensheimer, die sich in Mannheim schon lange für das Frauenstimmrecht einsetzte, engagierte sich Ida Dehmel zunehmend in der Frauenfrage.

Unter dem Eindruck des frühen Todes ihres Sohnes Heinz Lux, der 1917 in Frankreich fiel, und durch den Tod Richard Dehmels, der 1920 an den Folgen einer Kriegsverletzung starb, widmete sich Ida Dehmel von nun an dem literarischen Nachlass ihres Mannes und setzte sich verstärkt für die Frauenbewegung und die Künstlerhilfe ein. 1926 gründete sie die bis heute existierende 'Gemeinschaft Deutscher und Österreichischer Künstlerinnenvereine' (GEDOK).

Schon kurz nach der Machtübergabe an Hitler sah sich auch Ida Dehmel den zunehmenden Restriktionen durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Am 29. September 1942 sah sie in der Flucht in den Freitod den einzigen Ausweg vor der drohenden Verschleppung.

Dr. Vincent C. Frank-Steiner aus Basel, der Urenkel des Binger jüdischen Ehrenbürgers und Arztes Dr. Isaac Ebertsheim, ist der Sponsor des Steines für Ida Dehmel geb. Coblenz. Sein Vater Rudolf Frank, Autor und Theatermann im weitesten Sinne, war mit Richard Dehmel und Frau 'Isi', wie sie von guten Bekannten genannt wurde, befreundet. In seiner Autobiografie 'Spielzeit meines Lebens' schreibt R. Frank:

... Als ich in meinem nächsten Semester in Heidelberg, in der dortigen Stadthalle, einen Vortragsabend Richard Dehmels veranstaltete und wir danach am Neckar bei einer festlichen Erdbeerbowle beisammen saßen, trank Frau Ida mir zu und sagte in ihrem breiten Bingener Tonfall: 'Meine Beziehungen zu Ihnen, Herr Frank, sin älter als zu sonst irgenwem hier.' Alle horchten gespannt, und sie fuhr fort: 'Der erste Mann, mit dem ich in Berührung kam, war ihr Großvater, der Doktor Ebertsheim. Er hat meine Mutter entbunden und mich ans Licht gehoben.'

Im Stefan George-Haus am Freidhof ist ein Saal, der für kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung steht, der gebürtigen Binger Jüdin gewidmet. 2001 erschien im Claassen-Verlag Mathias Wegners Buch 'Aber die Liebe - Der Lebenstraum der Ida Dehmel'. Seit Dezember 2004 erinnert auch in Blankenese ein Stein an Ida Dehmel.

Ida Dehmel geb. Coblenz