Bingen - Pos. 37
Stolperstein für Simon Berg in der Oberen Hospitalstraße, Ecke Mainzerstraße
Text: Beate Goetz
BINGEN. Simon Berg kam am 25. April 1869 in Weiler als Sohn von Joseph Berg und seiner Frau Babette (auch Barbara) geborene Stern zur Welt. Am 13. Juni 1897 heiratete er die aus Maxsain im Westerwald stammende und am 5. Mai 1864 geborene Bertha Sternberg. Die Hochzeit fand in Weiler statt. Berthas Eltern waren Mordechai und Fanny Sternberg.
Vier Kinder wurden geboren. Sie kamen alle in Weiler zur Welt: Bella am 6. September 1898, Walter am 16. Dezember 1899, Erna am 18. Februar 1901 und Lilly am 7. August 1902. 1940 lebte Bella, verheiratete Kahn, in Wiesbaden. Sie wurde am 1. September 1942 ab Frankfurt in das Ghetto Theresienstadt deportiert, am 15. Mai 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und ermordet. Erna, verheiratete Mayer, und Lilly, verheiratete Löwenthal, wohnten in Frankfurt am Main. Auch Lilly Löwenthal wurde, allerdings am 15. September 1942, nach Theresienstadt deportiert, am 16. Mai 1944 nach Auschwitz verschleppt und ermordet. Ob die beiden Schwestern nach der Deportation einander begegnet waren? Walter Berg war 1940 schon emigriert.
Auch zwei Geschwister Simon Bergs hatten Nazi-Deutschland bereits verlassen: Berta Marx geborene Berg lebte in New York, Sally Berg in Cleveland, Ohio. Heinrich Berg wohnte in Magdeburg, Lina Kann geborene Berg in Ludwigshafen. Lina Kann teilte das Schicksal der Saar-Pfälzer Juden. Sie wurde am 22. Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs am Fuß der französischen Pyrenäen deportiert, wo sie am 13. Januar 1941 starb. Während des Ersten Weltkriegs leistete Simon Berg Hilfsdienst. Am 4. Juni 1937 zogen Simon und Bertha Berg mit Sohn Walter von der Adolf-Hitler-Straße 9 in Weiler nach Bingen in den Bienengarten 10. Schon am 25. September erfolgte der Umzug in die Grabenstraße 9, in das Haus der Weinhändlerfamilie Bernhard Stern.
Walter Berg war Metzger von Beruf. Am 14. Juli 1938 floh er nach Nordamerika. Seine erste Adresse war die Ellwoodstreet 87-89 in New York. Bertha Berg starb am 18. Februar 1940 und ruht auf dem Binger' jüdischen Friedhof. Simon Berg wurde am 30. Januar 1942 in das „Judenhaus" Beuchergasse 23 eingewiesen und am 27. September mit der Nummer 869 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, die amtliche Bezeichnung hieß „umgesiedelt". Dort kam er am 27. April 1944 zu Tode.
Anfang 2016 meldete sich Jim Yarin aus den USA beim Arbeitskreis Jüdisches Bingen und bat um Informationen zu Moses Berg aus Weiler, über den er ein Buch schreiben wolle. Er sei 1857 oder 58 mit Eltern und Geschwistern nach Nordamerika ausgewandert.
Moses Berg kam am 19. September 1841 als Sohn des Handelsmanns Mendel (oder Wendel) Berg und seiner Frau Margaretha geborene Koch in Weiler in der Dorfstraße im Haus Nr. 111 zur Welt. Er hatte vier Schwestern: Elisabetha, Johannette, Wilhelmina und Maria. In Amerika verdiente er sein Geld als Seiltänzer, Akrobat und Schwertschlucker, wie Jim Yarin berichtete. 1862 verlor er im Sezessionskrieg sein rechtes Bein, arbeitete aber mit einer Holzprothese weiter als Seiltänzer. 1884 stürzte er in den Tod, als er, einen Küchenherd auf den Rücken geschnallt, in Corsicana, Texas, ein Seil überqueren wollte, das über eine Straße gespannt war. Da zu diesem Zeitpunkt seine Identität nicht bekannt war, markiert ein namenloser Grabstein, auf dem nur „Rope Walker" (Seiltänzer) steht, die Stelle, an der er bestattet wurde.
Wie Jim Yarin herausfand, soll der Sterbende um einen Rabbiner gebeten haben, da er Jude sei. Einen Rabbiner konnte man ihm nicht besorgen, aber ein jüdischer Kaufmann habe mit ihm gebetet. Die dortige jüdische Gemeinde habe dann die Beerdigung des Namenlosen übernommen. Inwieweit Simon Berg und Moses Berg miteinander verwandt waren, konnte bislang noch nicht geklärt werden.
Der Stolperstein für Simon Berg wird von einem Binger Ehepaar gesponsert.