Bingen - Pos. 39

Stolpersteine für Lilli und Fritz Hohmann in der Mainzerstraße 47-51

Text: Beate Goetz

BINGEN. In der äußersten Nordwestecke des Binger jüdischen Friedhofs stößt der Besucher auf ein Grab, das aus dem Rahmen fällt. Es handelt sich um ein Doppelsarkophaggrabmal mit Davidstern und erhabener Inschrift, die Grabstätte der Geschwister Lilli und Fritz Hohmann.

Fabrikant für Lederwaren

Karolina, genannt Lilli, und Fritz Hohmann stammten aus Kaiserslautern. Lilli Hohmann kam dort am 8. Juni 1891, Fritz Hohmann am 16. Januar 1893 zur Welt. Ihre Eltern waren der Fabrikant Siegmund Hohmann und seine Frau Auguste, geborene Schwarz. Siegmund Hohmann betrieb eine Lederfabrik. Aus einer Bekanntmachung im „Volksbote" vom 20. Mai 1919 geht hervor, dass die Firma Hohmann & Sohn beabsichtigt, auf ihrem Fabrikgrundstück Ecke Krimm- und Kanalstraße eine Gerberei und eine Lederfabrik zu errichten. Der Familie gehörte eines der ältesten Bürgerhäuser der Stadt, das 1742 in der Steinstraße 13 errichtet worden war und 1928 abgerissen wurde. Es hatte ein heruntergezogenes Dach nach Schwarzwälder Art und ein vorkragendes Obergeschoss. Vor dem Abriss nutzte die Firma es nur noch als Magazin. Es musste Platz machen für eine Neubebauung.

Siegmund Hohmann wurde am 19. Mai 1849 in Mehlingen im Landkreis Kaiserslautern geboren, Auguste Schwarz am 23. November 1858 in Kirchheimbolanden. Das Paar hatte sechs Kinder: Ludwig (* 7. Februar 1883 in Kaiserslautern), Albert Gustav (* 23. Dezember 1884 in Kaiserslautern), Elisabetha (genannt Lisbeth, * 25. Juni 1889 in Kirchheimbolanden), Karolina (Uli); Friedrich und Karl. Ludwig starb am 19. Dezember 1931 'in Kaiserslautern. Albert Gustav starb schon im Kindesalter am 14. April 1886 in Kaiserslautern.

Für Karl Hohmann, der am 18. September 1886 in Kirchheimbolanden geboren war, gibt es einen Eintrag im Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus. Er wohnte in Berlin Schöneberg und Karlsruhe und war mit Berta Breitbarth aus Karlsruhe verheiratet. Er wurde am 17. November 1941 von Berlin aus nach Kauen (Kaunas) Fort IX in Litauen deportiert, wo er am 25. November zu Tode kam.

Der Firmengründer Siegmund Hohmann starb unerwartet am 26. April 1926 in Heidelberg. Die Beerdigung fand nach erfolgter Überführung am 28. April in Kaiserslautern statt, wie aus der Todes-Anzeige der 'Firma hervorgeht.

Das genaue Datum, zu dem Fritz und Lilli Hohmann von der Adolf-Hitler-Straße 57 in Kaiserslautern nach Bingen kamen, ist nicht bekannt. Es muss aber nach dem 8. März 1940 gewesen sein, da es für die Geschwister keinen Fragebogen gibt, den alle jüdischen Haushaltsvorstände am 8. März 1940 abgeben mussten. Sie suchten Zuflucht bei ihrer Schwester Lisbeth, die seit dem 20. Juni 1912 mit dem Binger Weinhändler Max Heymann verheiratet war. Familie Heymann wohnte in der Adolf-Hitler-Straße 47. Die 1919 geborene Tochter des Paares, Gretel, floh im März 1938 nach Nordamerika. Gretel Wolff, wie sie nach ihrer Heirat hieß, lebte in New York City. Sie war die einzige der angeschrieben ehemaligen Binger, die freundlich für die Post des Arbeitskreises dankte, aber keinen Kontakt mit ihm oder anderen ehemaligen Bingern haben wollte. Max Heymanns Mutter Rosalie (JG. 1851) zog im Dezember 1940 in ein Altersheim nach Mainz, wo sie verstarb. Ende März 1940 waren Familie Heymann und die Geschwister Hohmann in das »Judenhaus" Adolf-Hitler-Straße 31 eingewiesen worden. Max und Lisbeth Heymann gelang im August 1941 die Flucht in die USA zu Tochter Gretel.

Lt. International Tracing Service (ITS) Bad Arolsen wurde „der Lederwarenfabrikant und Kaufmann Fritz Hohmann" am 12. November 1938 mit der Häftlingsnummer 25446 in das KZ Dachau eingeliefert und dort am 16. Dezember entlassen „Lilli Hohmann, Mitinhaberin der Lederfabrik", wurde mit der Gefangenenbuchnummer 233 am 26. November 1940 in die Haftanstalt Mainz eingeliefert und dort am 9. Dezember wieder entlassen.

Geschichte der Ausgrenzung und Demütigung

Lilli Hohmann setzte nach Er¬hält ihres Deportationsbescheides mit dem Schlafmittel Veronal ihrem Leben ein Ende. Sie starb am 21. März 1942 in Bingen. Laut Sterberegister des Familienregisters Mainz beging auch Fritz Hohmann Selbstmord. Er starb am 9. Juli 1942 an „Atemlähmung nach Schlafmittelvergiftung" im Israelitischen Krankenhaus in Mainz. So sahen Lilli und Fritz Hohmann, wie unzählige andere Menschen jüdischen Glaubens, nach Ausgrenzung, Entrechtung und Demütigung als einzigen Ausweg vor der drohenden Deportation die Flucht in den Tod.

Die Stolpersteine für die Geschwister Hohmann werden vom Rechtanwalt Elmar Oppenheimer aus Bingen finanziert.

Stolpersteinverlegung vor dem nicht mehr existierendem Haus